Die meisten werden die Nachrichten über Hitze und Dürre in Europa verfolgt haben. Auch wenn wir es in Deutschland vielerorts selbst erleben, sind die Menschen in den südlicheren Regionen Europas mit noch heißeren Sommermonaten, mehr Wasserknappheit und stärkerer Dürre konfrontiert. Zu diesen Gebieten zählt auch Italien, das Weinland, das in diesem Jahr mit Hitzerekorden und langanhaltenden Dürreperioden zu kämpfen hat, weshalb in Piemont, Lombardei, Emilia-Romagna, Venetien und Friaul-Julisch Venetien bis zum Ende des Jahres der Ausnahmezustand ausgerufen wurde. Hier wollen wir auf die Folgen des Extremwetters auf Anbau, Lese und Handel des italienischen Weines eingehen.

Die vergangenen beiden Jahre

Um zunächst die schon im vergangenen Jahr als sehr kritisch einzuordnenden Entwicklungen des italienischen Weinbaus zu thematisieren, wollen wir einige Zahlen von 2021 mit denen des Vorjahres 2020 vergleichen und auf allgemeine Situationen und solche, die einzelne Gebiete betrafen, eingehen. Denn extreme Wetterereignisse, konkret Temperaturen über 40 Grad, Spätfrost und Hagel, führten 2021 zu neun Prozent weniger Ernte als im Vorjahr und deshalb auch zu so manchem leeren Weinkeller und zu höheren Preisen. Zwar landete Italien laut der Internationalen Organisation für Rebe und Wein (OIV) im Jahr 2021 auf Platz eins der Länder, die am meisten Wein produzierten (44,5 Millionen Hektoliter), aber das unberechenbare Klima bescherte Italien etliche Ernteausfälle. Erst Spätfrost im April im Piemont, in Venetien und in der Toskana. Dann schwere Stürme und Hagel im Juli im Nordosten des Landes. Und schließlich hohe Temperaturen und Trockenstress im August. Es wurde deutlich, wie sich der Klimawandel auf den Weinbau auswirkte.

In einer der mengenmäßig wichtigsten Weinregionen Italiens, der Toskana, wurden 2021 bereits ca. 25 Prozent weniger Wein geerntet, weshalb der Präsident des Verbands Confagricoltura Toscana eine Erhöhung der Flaschenpreise von mind. zehn Prozent ankündigte. Zwar hielten sich die Einbuße bei den Klassikern Chianti Classico und Brunello di Montalcino noch in Grenzen, das Chianti-Konsortium äußerte im vergangenen Jahr dennoch Bedenken, dass Chianti zu teuer werden könnte, da die Produktionsmengen schon damals zu gering gewesen seien, die Nachfrage aber trotzdem anstieg. Ebenso fielen in Emilia-Romagna die Erträge zum Teil um 30 Prozent und in Umbrien um 20 Prozent geringer aus als im Jahr 2020.

Doch nach der Toskana musste im letzten Jahr eigentlich die Lombardei am meisten Verluste einstecken. Speziell Nebbiolo-Trauben waren in dieser Region von Ausfällen betroffen. Auch am Gardasee beklagten manche Winzer einen Ernteausfall von bis zu 40 Prozent, wo vor allem rote Trauben betroffen waren. Bei den Lambrusco-Sorten, für die in erster Linie Emilia-Romagna bekannt ist, verzeichnete man einen Produktionseinbruch von 20 bis 25 Prozent. Letztlich gab es also bereits im Jahr 2021 relativ wenige Gewinner-Regionen, die mit dem klimatisch sehr untypischen Jahresverlauf zurechtkamen. Eine war allerdings Sizilien. Die sizilianischen Weingüter ernteten fast zehn Prozent mehr. Das zeigte sich auch in den Exportzahlen – bei Weißweinen konnte hier, im Vergleich zu 2020, ein Anstieg um 25 Prozent erzielt werden. Auch in Kampanien und Kalabrien konnten die Produzenten ein kleines Plus im Vergleich zum Vorjahr erreichen.

Die Entwicklungen in Italien 2022 – Die gesamte Landwirtschaft leidet

Die äußerst schwierigen Anbaubedingungen herrschten allerdings auch in diesem Jahr in vielen Gebieten des Landes vor. Betroffen ist so gut wie jeder Bereich der Landwirtschaft. Beispiele sind der Einbruch der Mais- und Futtermittelproduktion um 45 Prozent, die Produktion von Hartweizen um 30 Prozent oder auch die Milchproduktion um 20 Prozent. Neben des Exports von Wein sind also auch die Exporte anderer italienischer Klassiker für das nächste Jahr gefährdet - Parmesan, Pasta und Polenta gehören hier ebenso dazu wie beispielsweise Oliven. Nach Berichten des Landwirtschaftsverbandes Coldirertti soll sich der Schaden auf ungefähr drei Milliarden Euro belaufen, obwohl der Agrarsektor eigentlich nur zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts der gesamten italienischen Wirtschaft ausmacht. Problematisch ist die Situation ebenso für andere Bereiche: Die Stromerzeugung durch Wasserkraftwerke, die es vor allem im Norden des Landes in den Bergen gibt, ging deutlich zurück, liefert aber eigentlich fast ein Fünftel des in Italien benötigten Stroms.

Gardasee bei Sonnenschein
Hand eines Mannes, die einen Wasserschlauch festhält

Am Beispiel der extrem trockenen Po-Ebene, wo dieses Jahr die schlimmste Dürre seit 70 Jahren erlebt wird, werden die Probleme der Parmesanherstellung besonders deutlich. Denn ein großer Teil der Milch, die hierfür verwendet wird, kommt typischerweise aus der Ebene des größten italienischen Flusses. Auch Parmaschinken kommt von hier. Doch der Fluss fasst nur noch extrem wenig Wasser, unter anderem weil es in diesem Winter nicht geschneit hat, und der niedrige Pegel hat zur Folge, dass Salzwasser aus dem Meer rund 20 Kilometer weit ins Innere des Landes gelangt. Das Fehlen des Regens und die daraus resultierende Trockenheit der Weideflächen führte dazu, dass die Kühe aus der Po-Ebene weniger fraßen und daher auch weniger Milch produzierten. Um dennoch einigermaßen bewässern zu können, wurde die Abflussmenge aus dem relativ gut gefüllten Gardasee erhöht, der das größte Wasserreservoir Norditaliens darstellt. Auch hier äußerten die ersten Gardasee-Gemeinden bereits Bedenken, dass auch diese größte Reserve nach dem Po bald aufgebraucht sein könnte.

Die eingangs bereits erwähnten, in vielen Gebieten im Norden Italiens ausgerufenen Notstandsregelungen, um den Wasserverbrauch einzuschränken, sollen zusätzliche Abhilfe schaffen. Verona schränkt zum Beispiel den Trinkwasserverbrauch ein. Konkreter bedeutet das auch in anderen Regionen, dass festgelegt wird, ob und wie Wasser rationiert wird, dass z.B. nachts das Wasser abgestellt wird, dass die Springbrunnen in den Städten aus sind, dass private Pools nicht aufgefüllt werden dürfen, dass das Waschen von Autos verboten ist oder dass Gärten nicht gegossen werden dürfen. Neue Investitionen der Regierung sollen außerdem dafür sorgen, dass defekte Rückhaltebecken für Regenwasser und andere Wasserleitungen repariert werden und die Infrastruktur für effektives Wassermanagement gestärkt wird.

Die Probleme des italienischen Weinbaus

Wie bereits erwähnt, drücken Dürre und Hitze auch die Erträge im Weinbau nach unten. Der Landwirtschaftsverband Coldiretti gab bekannt, dass die Erntemenge, Schätzungen zufolge, zehn Prozent niedriger ausfallen könnte als im letzten Jahr. Große Unsicherheit bereiten dabei mögliche Gewitter, die weiteren Schaden anrichten könnten. Unter anderem deshalb haben sich viele Winzer dazu entschieden, früher zu ernten als sonst. Denn zusätzlich dazu wurde der Reifeprozess vieler Trauben durch die hohen Temperaturen beschleunigt, weshalb die Weinlese vielerorts bereits am 1. August, eine Woche früher als üblich, begann. Es war für viele italienische Winzer eine schwierige Entscheidung – die durch die lange Trockenheit oftmals kleinen Trauben noch möglichst lange, bis an das Ende der letzten Wachstumsperiode hängen lassen oder mit Blick auf anstehende Unwetter doch schon lesen?

Im Laufe des Augusts kam es beispielsweise in einigen Regionen der Toskana dazu, dass ein Hagelsturm die Ernte mancher Weinbauern zu 40 Prozent zerstört hat. Die Wetterextreme können ein nur schwer kalkulierbares Risiko sein. Andernorts kam weniger heftiger Niederschlag gerade noch zur rechten Zeit. Ende Juli hat es im Norden in einigen Teilen des Landes ausgiebig geregnet, sodass in der Lombardei weiße Sekt-Trauben geerntet werden konnten – ungefähr zwei Wochen früher als ursprünglich vorgesehen. Doch obwohl das Wetter in manchen Teilen Italiens dann doch irgendwie noch mitspielt oder es die Bauern wohl oder übel schaffen, die Bewirtschaftung an die Bedingungen anzupassen, fehlen an vielen Orten Saisonarbeitskräfte. Diese Arbeiter fehlten in diesem Jahr zu großen Teilen, weshalb der Verbandschef von Coldiretti forderte, auch Studenten, Arbeiter in Kurzarbeit und Rentner mit Gelegenheitsjobverträgen bei der Weinlese einsetzen zu können.

Die Dürre setzt keine guten Vorzeichen

Insgesamt steht die gesamte europäische Landwirtschaft vor drängenden Fragen und Herausforderungen im Zusammenhang mit dem sich verändernden, extremeren Klima. Doch speziell der an Delikatessen eigentlich so reiche Süden Europas erlebte besonders den vergangenen Sommer als sehr besorgniserregend, vor allem wenn so weitergewirtschaftet wird wie bisher. Auch viele italienische Olivenbauern waren mit einem sehr trockenen Frühling, ausbleibenden Niederschlägen von März bis August und daher problematischen Bedingungen für den Übergang von der Blüte zur Olive konfrontiert. Viele Oliven konnten sich aufgrund des Wassermangels nicht ausreichend entwickeln, weshalb auch hier die Olivenölproduktion insgesamt um 30 Prozent zurückgehen könnte. Theoretisch müssten zum Beispiel fast jeder Weinberg und jeder Olivenhain in der Toskana bewässert werden, was erstens vor 20 Jahren noch keine Rolle spielte und zweitens heute nicht mehr ohne Weiteres möglich ist. Deshalb betrachten viele Bauern dieses Jahr als ein schwarzes Jahr.

Und es wird vermutlich keine Ausnahme bleiben. Die Preise für Chianti, Chardonnay, Prosecco und Co. können auch zukünftig weiter steigen und auch andere italienische Delikatessen wie Nudeln, Mortadella oder Mozzarella könnten nicht nur teurer, sondern auch weniger werden. Sicherlich wird das Land alles daran setzen, die Schätze seiner Essenskultur weiterhin zu bewahren.

Quellen:

www.wein.plus/de
www.deutschlandfunknova.de
www.br.de

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