Einen guten Wein erkennen Sie daran, dass er Ihnen schmeckt - oder? Das stimmt, zeugt allerdings nur von Ihrer persönlichen Präferenz. Ob ein Wein "gut" im Sinne von "qualitativ hochwertig" ist, lässt sich erst anhand von bestimmten Kriterien beurteilen. Im Optimalfall stellt sich heraus, dass er nicht nur objektiv gut ist, sondern Ihnen darüber hinaus mundet.

Der Geschmackstest

Um seine Qualität(en) zu offenbaren, muss ein Wein vier Hürden nehmen - Nase, Ausgewogenheit, Vielschichtigkeit und Abgang. Sie müssen den Wein also auf jeden Fall öffnen und probieren. An der Flasche, beziehungsweise am Etikett, erkennen Sie die Qualität eines Weins nämlich nicht. So zeugt etwa ein rundum von einer Staubschicht eingehüllter Flaschenhals von längerer Lagerung - aber auch davon, dass die Flasche stehend aufbewahrt wurde. Ein ausgetrockneter Korken schrumpft und lässt Sauerstoff an den Wein kommen. Die Folge: Oxidation kann dem besten Supertoskaner den Garausmachen.

1. Die Nase

Stecken Sie Ihre Nase - noch vor dem ersten Schluck - tief ins Glas und gönnen Sie sich einen ordentlichen "Zug". Offenbart der Wein ein fruchtiges, vielleicht auch blumiges Aroma? Damit hat er den ersten Test bestanden. Riecht er dagegen muffig, nach nassem Hund, feuchter Kellerwand oder gar Desinfektionsmitteln, liegt sehr wahrscheinlich ein Korkfehler vor. Ein Geruch nach Streichhölzern lässt auf zu hohe Schwefelbeigabe schließen. Geruchsfehler können vielfältig auftreten. Wenn Sie dem Wein noch eine Chance geben wollen, lassen Sie ihn für eine Weile in der geöffneten Falsche oder im Glas ruhen und schnuppern Sie nochmals. Mit etwas Glück entwickelte sich die unangenehme Nase lediglich beim ersten Kontakt mit Sauerstoff und macht später Platz für die eigentlichen Duftnoten. Ist das nicht der Fall, schütten Sie ihn weg. Wenn Sie wollen, dass Ihre Gäste wiederkommen, nutzen Sie einen Stinker auch nicht als Kochwein.

2. Ausgewogenheit

Jetzt kommt Ihr Mund zum Zug. Bei einem gut ausbalancierten Wein drängen sich weder Säure noch Tannine, Alkohol oder Fruchtigkeit in den Vordergrund. Treibt Ihnen eine heftige Essignote Tränen in die Augen? Fühlt sich Ihr Mund vor lauter Tannin ganz pelzig an, obwohl der Wein schon vor zwei Stunden dekantiert wurde? Dann ist der Wein schlicht aus dem Gleichgewicht. Ergänzen sich dagegen frische oder sanfte Säure, subtile, nicht zu aufdringliche Tannine, deutliche, aber nicht aufdringliche Frucht und eine zurückhaltende Alkoholnote zu einem angenehmen Gesamteindruck, steht einem weitergehenden Geschmackstest nichts im Wege.

3. Vielschichtigkeit

Jetzt geht es (sozusagen) ans Eingemachte. Der Versuch, den diversen Geschmacksnoten auf die Spur zukommen, ist der Grund, warum Weintrinker den ersten oder zweiten Schluck häufig "kauen" beziehungsweise im Mund herumwirbeln. Vordergründig dominiert meistens Fruchtiges. Lassen sich einzelne Aromen genauer identifizieren, zum Beispiel Gras oder Grapefruit in einem Weißwein, Schokolade oder Kaffee in einem Roten? Je mehr Noten ein Wein offenbart, desto größeren Spaß werden Sie an ihm haben. Das Spiel der Aromen kann während eines Essens variieren - abhängig davon, was Sie gerade zu sich nehmen. Außerdem verändert es sich, wenn der Wein eine Weile im Glas verbringt. Ein Wein, der im Mund erfreuliche Vielschichtigkeit offenbart, hat nur noch einen Test vor sich.

4. Abgang

Zeit, den Schluck gehen zu lassen. Das letzte Kriterium ist der Abgang. Klingt der Wein anhaltend köstlich am Gaumen nach, oder verabschiedet er sich in Windeseile, ohne besonderen Eindruck zu hinterlassen? Schmecken Sie noch nach zwei, drei, fünf oder sogar zehn Sekunden etwas von seinen leckeren Aromen, hat er auch das letzte Hindernis genommen. Soweit der vierteilige Geschmackstest. Nase, Balance, Vielschichtigkeit und Abgang offenbaren mit untrüglicher Sicherheit, ob Sie es mit einem guten Wein zu tun haben - und ob es sich lohnt, die Flasche auszutrinken.