Jubiläum in Straßburg! Ein 550-jähriges, um genau zu sein – so alt soll nämlich einer der ältesten Weine der Welt sein, der im elsässischen Straßburg zwar nicht getrunken, aber bestaunt werden kann. Wir wollen dies zum Anlass nehmen, um auf dieses Wunder der Weinwelt einzugehen. Nicht nur die Geschichte des speziellen Weines, sondern auch seine momentane Aufwertung und Aufbewahrung sind definitiv einen Blick in die französische Stadt wert.

In einem anderen Artikel unseres Weinblogs mit dem Titel „10 erstaunliche Weinfakten“ sind wir auf den ältesten trinkbaren Wein der Welt eingegangen, der in einer Flasche bei Besichtigungen des Bürgerspital Weinguts in Würzburg zu bestaunen ist. Eine Stadt, die unter anderem für ihre Weinfeste geschätzt wird und im Jahr 1961 für Schlagzeilen sorgt. Denn der älteste trinkbare Weißwein der Welt aus dem Jahr 1540, der als „Würzburger Stein“ bekannt ist, wird damals von Hugh Johnson und einigen wenigen weiteren Weinliebhabern verkostet. Und genau darauf ist bei der Beschäftigung mit dieser Thematik zu achten. „Noch trinkbar“ ist der französische Wein, um den es jetzt hier in diesem Artikel gehen soll, nämlich nicht und in einer Flasche ist er auch nicht anzutreffen. Doch zunächst zu seiner Geschichte.

Die Bedingungen seiner Entstehung

Um in das Jahr der Entstehung des ältesten Fassweins der Welt zurückzugehen, müssen wir uns im Vergleich zum „Würzburger Stein“ gedanklich noch einmal ca. 70 Jahre weiter in die Vergangenheit, ins Jahr 1472, begeben. Eigentlich sogar noch einmal einige Zeit zurück, denn geht es um die Entstehungsumstände, so sollten wir uns eher mit dem Keller des Straßburger Krankenhauses beschäftigen. Dieser wird bereits 1395 gebaut und dient damals der Lagerung von Wein, Getreide und anderen Lebensmitteln für Kranke, Mönche und Pilger, die in dem Spital unterkommen. Interessant ist hierbei, dass das Krankenhaus zur damaligen Zeit viel Vermögen hat, nicht in Form von Gold oder Geld, sondern im Besitz unterschiedlichster Güter ist, die von Ernteanteilen bis hin zu Grundstücken reichen. Viele Pilger und Arme können schlichtweg keine anderen Zahlungsmittel vorweisen.

Unter den landwirtschaftlichen Nutzflächen des zeitweise größten kirchlichen Landbesitzers im Elsass sind auch solche, die für den Weinbau von Bedeutung sind, weshalb in dem Keller der karitativen Einrichtung nach und nach zunehmend edlere elsässischen Weine in bis zu 80 Eichenfässern eingelagert sind, um später in Flaschen mit dem Etikett „Cave des hospices“ (Spitalkeller) abgefüllt zu werden. Sogar an Patienten wird in der damaligen Zeit viel Wein verteilt, wobei ab dem 17. Jahrhundert der medizinische Fortschritt dem Wein seinen Status als Heilmittel allmählich aberkennt. Bis in das Jahr 1994 nimmt dann der An- und Ausbau von Weinen durch das Hospital immer weiter ab, weil die eigene Weinbaufläche schrumpft sowie Maschinen und Know-How für eine moderne Weinherstellung fehlen. Wie wir allerdings sehen werden, wird das nicht das Ende einer außergewöhnlichen Weinbautradition gewesen sein.

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Der besondere Jahrgang 1472

Doch nun zu dem Jahrgang, um den sich auch heute noch, nach sage und schreibe 550 Jahren, gekümmert wird. Das Erstaunlichste an diesem ist, dass er im Laufe der Geschichte nur dreimal getrunken worden sein soll. Das erste Mal im Jahr 1576, um das Bündnis zwischen den freien Reichsstädten Zürich und Straßburg zu feiern. Man besiegelt in diesem Jahr die gegenseitige Unterstützung im Falle eines feindlichen Angriffs. Das zweite Mal im Jahr 1718, um den Wiederaufbau des Straßburger Krankenhauses nach einem zwei Jahre vorher ausgebrochenen Feuer zu feiern, bei dem der Keller verschont bleibt. Im Anschluss sollen von ursprünglich 3000 nur noch 400 Liter des kostbaren Weins übriggeblieben sein. Von jenem Rest kostet dann, so die Überlieferung, nur noch General Philippe Leclerc de Hauteclocque im Jahr 1944, nachdem unter seiner Führung Straßburg von den Nazis befreit wird.

Die Entwicklung seit 1995

Insgesamt ist es natürlich nicht nur die Geschichte dieses Jahrgangs, die echte Weinliebhaber ins Staunen versetzt, sondern die gesamte Weingeschichte des historischen Kellers, der einige Schätze, genauer gesagt u.a. zwei weitere Fässer aus den Jahren 1519 und 1525 beherbergt. Allein diese Tatsache macht uns deutlich, dass es seit dem Jahr 1995 berechtigte neue Bestrebungen gibt, die fast ausgestorbenen Aktivitäten im Hinblick auf Vinifikation durch das Straßburger Hospital und die damit in Verbindung stehende einmalige Weinbautradition nicht einschlafen zu lassen.

Nicht nur die positiven organoleptischen Untersuchungen der kostbaren Weine durch Önologen der Stadt ein Jahr zuvor, sondern auch ein Zusammenschluss von ungefähr 30 Winzern bringen diese Tradition wieder in Bewegung. Durch eine Modernisierung, nicht nur des Kellers, sondern auch des Geschäftsmodells des zum Hospital gehörenden Verkaufsladens, erleben die dortigen Weinfreunde neuen Aufschwung.

Die aktuelle Qualität des ältesten Fassweins der Welt

Abschließend sind natürlich noch einige Fragen offen, die uns mit Blick auf die Erhaltung dieser absoluten Rarität beschäftigen. Wie wird der Wein gelagert? Was muss für seinen Erhalt getan werden? Wieso ist er nicht mehr trinkbar und wonach riecht er?

In Bezug auf unsere erste Frage, haben erst vor wenigen Jahren Veränderungen am Behältnis stattgefunden. Das Fass, in dem sich der Weißwein befindet, beginnt damals zu lecken, weshalb im Jahr 2015 ein neues Fass hermuss. Dieses identisch gebaute Fass soll laut dem Leiter des Kellers nun weitere 300 Jahre halten.

Allerdings ist für den Erhalt des Weines damit noch nicht alles getan. Stattdessen muss dem Wein mehrmals im Jahr elsässischer junger Riesling oder Silvaner hinzugefügt werden, um seiner natürlichen Verdunstung entgegenzuwirken. Schätzungsweise ein Prozent der Flüssigkeit verflüchtigt sich pro Jahr, wodurch es ohne Einwirkung passieren kann, dass der Sauerstoffanteil im Fass zu hoch ist und der Wein somit zu Essig wird. Wer jetzt denkt, dass die unverwechselbare Zusammensetzung des Weins durch neuen Wein verfälscht wird, dem hält der Kellerleiter entgegen, dass aufgrund der Praxis der Winzer zur Entstehungszeit des Weins, die darin bestanden hat, unterschiedliche Rebsorten zu mischen, heute sowieso nicht mehr nachvollzogen werden kann, aus welchen Sorten der Wein genau besteht. Somit ist - genau genommen - nur noch ein Achtel des Fassinhalts Wein von vor 550 Jahren.

Zwar handelt es sich am Ende aus önologischer und chemischer Perspektive nach wie vor um Wein, aber aufgrund seiner extremen Säure ist er nicht mehr trinkbar. Stattdessen kann sein Geruch noch ausgiebig analysiert und genossen werden. Dieser reicht von einem oxidativen Charakter, der sich durch Aromen von Haselnüssen, Wachs und Fruchtlikör kennzeichnet, über holzig-vanillige Gerüche durch das Fass bis hin zu einem herben Aroma von frisch geschnittenem Gras durch die jüngeren Weine. Welch ein Wunder!

Quellen:
www.ouest-france.fr
- www.vins-des-hospices-de-strasbourg.fr

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