Weißweine schmecken besser, wenn sie gut gekühlt serviert werden, während die meisten Roten es gerne etwas bis deutlich wärmer haben - ein Grundwissen, dem kaum jemand widersprechen wird. Wie aber kommt es, dass so mancher stark gekühlte Weißwein gar keine Aromen außer einer mehr oder weniger kräftigen Säurenote erkennen lässt? Und wieso entwickelt ein "zimmerwarm" aufgetischter Rotwein (gemäß einer alten Faustregel) oft eine unangenehme Süße und/oder einen alles andere übertönenden Alkoholgeschmack?

Der wohltemperierte Weißwein

Korrekterweise müsste es heißen: "die wohltemperierten Weißweine". Denn tatsächlich liegt zwischen der optimalen Trinktemperatur eines einfachen Prosecco und der eines körperreichen Weißweins eine Bandbreite von 8 Grad Celsius. Je kälter ein Wein ist, desto eher treten Säure, Tannine und andere bittere Noten in den Vordergrund. Deswegen kommen vor allem Schaumweinen ohne Jahrgang und jungen, fruchtigen Weinen mit wenig prominenter Struktur niedrigere Temperaturen zugute. Körperreiche, sehr trockene Weißweine wie ein fetter, im Holzfass ausgebauter Chardonnay oder ein Chablis Grand Cru profitieren dagegen von Trinktemperaturen ab 11 Grad Celsius; das subtile Spiel ihrer Aromen kann sich erst entfalten, wenn Säure und Tannine sich mit einer eher hintergründigen Rolle begnügen.

Rotweine in Bestform

Um es vorweg zu sagen: "Zimmertemperatur" ist ein völlig veralteter Maßstab. Es sei denn, Sie genießen Ihren Wein am liebsten in Gänsehaut-Atmosphäre zwischen frösteligen 12 und höchstens 18 Grad. So kalt war es nämlich in den Esszimmern des 19. Jahrhunderts, der Zeit, aus der diese Regel stammt. Heute bedeutet Zimmertemperatur im Schnitt mindestens 21 Grad - deutlich zu warm für so gut wie jeden Wein. Richtig ist allerdings, dass ein zu kühl servierter Rotwein meistens nicht sehr lecker, schlimmstenfalls sogar bitter und/oder sauer daherkommt. Mit 12 bis 14 Grad schmecken fruchtige, leichtere Rotweine am besten, während ausgesprochen körper- und tanninreiche Weine ihre Stärken erst ab 16 Grad zur Geltung bringen. Fast schon lauwarm kommen nur die legendären Supertoskaner auf den Tisch.

Ein Überblick: Optimale Trinktemperaturen von kalt bis weniger kalt

Die Angaben in Klammern, die weiter unten folgen, sind Beispiele und stellen keine So-und-nicht-anders-Empfehlung dar. Und noch ein Tipp: Bei manchen Weinen, häufig bei Jahrgangs-Champagnern, findet sich eine Angabe zur Trinktemperatur auf dem Etikett. Einer solchen Insider-Empfehlung zu folgen, ist keine schlechte Idee - wer könnte einen Wein besser kennen als der Hersteller?

- 5-7 Grad Celsius - Schaumweine (Sekt, Cava, Prosecco oder Champagner ohne Jahrgang)

- 8-10 Grad Celsius - leichte, säurebetonte Weißweine (junger Riesling oder Sauvignon Blanc)

- 8-12 Grad Celsius - weiße, körperreiche Süßweine (Sauternes, Eiswein) und Rosé-Weine (je kräftiger der Körper, desto höher die Trinktemperatur)

- 10-12 Grad Celsius - Weißweine mit mittlerem Körper (kräftigere Grau- oder Weißburgunder)

Wenn Sie das Ganze noch etwas anschaulicher erklärt bekommen möchten, empfehlen wir das verlinkte Video unserer Weinakademie auf Youtube, das Sie am Anfang dieses Artikels finden. Unser Sommelier Rüdiger Kleinke erzählt Ihnen alles, was es zu beachten gilt!